Danke, RAF

Stefan Aust, Ex-Mitarbeiter der St.-Pauli-Nachrichten, Ex-Redakteur des TV-Magazins Panorama, Ex-Chefredakteur des Spiegels ist auch ein Ex-Kollege von Ulrike Meinhof, die zur den ersten Terroristen aus der RAF gehörte. Damals wurde die Gruppe in der Öffentlichkeit noch Baader-Meinhof-Gruppe genannt. Acht Jahre nach dem „Deutschen Herbst“ 1977, als die RAF mehrere Repräsentanten des Staats und der Wirtschaft ermordete, brachte Aust das Buch „Der Baader-Meinhof-Komplex“ heraus, das seitdem mehrmals erweitert wurde und bis heute zum Standardwerk über die RAF gehört.
Auf dieses Buch baut auch der gleichnamige Film auf, der jetzt in die Kinos gekommen ist. Auch er behandelt die Anfänge der Gruppe, den Tod des Studenten Benno Ohnesorg in Berlin, dann die ersten Bombenanschläge, Morde, bis hin zur Schleyer-Entführung und dem Selbstmord einiger der Terroristen.
Bis heute wird der „Kampf der RAF“ in der linken Szene verklärt. Diejenigen, die den Staat bis in den Tod bekämpften, werden als wahrhaft konsequente Kämpfer hingestellt. Die andere Seite sieht in ihnen wilde Gesellen, unzurechnungsfähig und dabei gleichzeitig berechnend.

Wie völlig anders doch das Bild gestern Abend in Charlottenburg: Im Kino Delphi die Premiere, dann die Party im extra angemieteten Schiller-Theater. Rote Scheinwerfer tauchen das Gebäude in ein gruseliges Licht, viel gruseliger aber ist das Publikum. Junge, schlanke Damen in sehr kurzen Röcken stehen (bei nur ca. 10 Grad) vor dem Theater, empfangen die Besucher, die wie eine Ansammlung der Bussi-Bussi-Gesellschaft aus München aussehen. Und tatsächlich: Zwei der sechs Touren, die ich von dort habe, sind wirklich Münchener, eingeladen von der Filmgesellschaft. Unter den riesigen weißen Schirmen stehen sie auf dem Rasen, das Sektglas in der Hand, sie kichern, während die Herren in legeren Anzügen danebenstehen und „ernsthaft diskutieren“. Komisch: Fast alle haben ihr Haar verstrubbelt, aber natürlich mit Methode und offenbar mit Gel gestärkt. Das verwegene Outfit soll wohl symbolisieren, dass sie ja auch ganz schön wild sein können. Es ist eine riesige Show und sie ist total peinlich. Was interessiert diese Leute an dem Thema? Ich merke, wie ich plötzlich mit den Terroristen sympathisiere, wo aber sind sie, wenn man sie braucht? Es muss ja nicht gleich eine Bombe sein, die all diese Gel- und Plastikrevolutionäre ins Jenseits befördert, ein paar pöbelnde Punks würde doch schon reichen.
Aber ach, ich bin so inkonsequent. Statt Steine auf die Bourgeoisie zu werfen, lasse ich sie in mein Taxi einsteigen und fahre sie in ihr Hotel. Meine spitzen Bemerkungen sind die einzigen Waffen, die ich gegen sie abfeuere, aber sie bemerken sie nicht mal, verstehen sie nicht. Sie fachsimpeln über die Actionqualität des Films, groupiehaft Halbwissen versprühend, man will ja dazugehören, täuscht Ahnung vor. Am Schlimmsten die letzte Tour, der Mann schleppt eine Barbiepuppe ab und gibt vor ihr an, was er doch schon immer für ein harter Knochen war, die Hälfte seiner Kumpels war bei der RAF, die meisten sind heute tot, aber er hat nicht aufgegeben, er leistet noch immer Widerstand. Das Gesülze gipfelt darin, dass er behauptet, damals von der RAF auch zum Mitmachen aufgefordert worden zu sein. Als seine Begleiterin ihn fragte: „Was, so alt bist du schon?“, hörte man regelrecht, wie er sein eigenes Großmaul verfluchte. Schnell wechelte er das Thema. Und ich fuhr lieber weiter zur Party anlässlich der Verleihung der „Goldenen Henne“. Da sind mir die bewusst bürgerlichen „Entertainer“-Quatschköppe tausendmal lieber.

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