Gegen Verkehr

Stolz präsentierte die BVG vergangene Woche ihre neue Straßenbahn, mit der sie gleich eine „neue Generation“ ausrief. Neu ist vor allem das klobige Äußere, und dass die Bahn für die Fahrer einfacher zu bedienen ist. Was die Fahrgäste davon haben, wurde jedoch nicht so ganz klar. Besser hatten es am Mittwoch eh die U-Bahn-Nutzer, denn oberhalb ging nichts mehr. Mehr als 200 Ampelanlagen fielen im morgendlichen Berufsverkehr aus und sorgen vor allem an den großen Kreuzungen für Chaos. Teilweise waren die Anlagen – wie am Hackeschen Markt – noch am Abend nicht in Betrieb. Aber Autofahrer habens sowieso schwer in Berlin. Nach und nach werden ihnen auch noch die Straßen weggenomen und als sogenannte „Fahrradstraßen“ ausgewiesen. Anfangs betraf das sinnvollerweise nur Nebenstraßen, wie die Linienstraße in Mitte. Nun aber wurde auch die erste Hauptverkehrsstraße umgewidmet: In der Kreuzberger Bergmannstraße ist der Autoverkehr künftig den Radfahrern untergeordnet und wenn es den Bikern gefällt, können sie in Gruppen im Schritttempo durch die Straße schleichen. Dass dies eine sinnvolle Stadtentwicklung darstellt, ist zu bezweifeln.

Auch an anderer Stelle wird dagegen Verkehr ausgebremst: Der neue Innenzaun in der Jugendhaftanstalt Plötzensee soll künftig Ausbrüche verhindern, was der zuständigen Senatorin immerhin 2,6 Millionen Euro wert ist. Ursprünglich sollte der Zaun 950.000 EUR kosten, wieso der Betrag nun auf das fast Dreifache stieg, ist unklar. Vielleicht wird er ja noch vergoldet, als weiterer Anreiz für die Gefangenen, nicht auszubrechen.
Kein Verkehr gibt es künftig auch in THF und TXL. Der Tempelhofer Flughafen wird ja in diesem Oktober schon schließen, Tegel soll dann in drei Jahren folgen. Begehrlichkeiten für die Grundstücke werden bereits angemeldet. Eine davon kommt von Hertha BSC. Denen ist nämlich das Olympiastadion zu groß und das Spielfeld zu weit weg von den Tribünen. Deshalb wollen sie neu bauen, eine Spielstätte für 44.000 Zuschauer. Offenbar ist man bei Hertha unbemerkt zu sehr viel Geld gekommen. Oder es liegt am Namen Hoeneß, die Brüder sind ja dafür bekannt, gerne viel Geld auszugeben. Jedenfalls sind die Gelände der Flughäfen Tegel und Tempelhof als mögliche Standorte eines neues Stadions im Gespräch, außerdem noch der einstige Kontrollpunkt Dreilinden. Wie man dann ohne Auto zum Spiel kommen soll, bleibt aber ein Geheimnis.

Überhaupt spielen: Immer mehr hat man den Eindruck einer Glücksspielhysterie. Nachdem vor ein paar Monaten schon zahlreiche Lottoläden schließen mussten, trifft es nun die Werbung und die Gestaltung der Geschäfte: Zum einen darf der aktuelle Jackpot nicht nicht mehr in den Schaufenstern angezeigt werden, und in den Läden müssen Süßigkeiten in einem gewissen Abstand zur Lottotheke stehen. Das alles für den Kampf gegen die Spielsucht. Für diesen bürokratischen Schwachsinn ist das Landgericht Berlin verantwortlich, das eine Einstweilige Verfügung erlassen hat. Beantragt hatte sie das „Lotto Team“, eine Gesellschaft, gegen die u.a. wegen Betrugsverdacht ermittelt wird.

Aber auch ein anderes Urteil ist interessant: Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden, dass der Senat nicht einfach Beamte in den zentralen Stellenpool abschieben darf, wenn deren Arbeitsplatz nicht mehr gebraucht wird. Diese Behandlung sei eine „Art von Leiharbeit“ und damit verfassungswidrig. So ist das eben, Beamte hatten schon immer mehr Rechte als normale Bürger.
Dabei hat doch der arme Senat derzeit schon so viele Sorgen mit seinem Personal: Jetzt wird wieder gestreikt, weil sich beide Seiten nicht bewegen wollen. Die Gewerkschaften verlangen eine Lohnerhöhung und will sich mit den angebotenen Einmalzahlungen nicht abgeben, der Senat will nicht über die Erhöhung verhandeln. Also werden wieder Behörden, Bürgerämter, Kindertagesstätten, Schulen und Teile der Polizei bestreikt, KFZ-Zulassungsstellen bleiben sogar „bis auf Weiteres“ geschlossen. In den kommenden Wochen sollen die Arbeitsniederlegungen immer mehr ausgeweitet werden, die Berliner Bürger sind nur Spielball der Interessen. Selbst die Postzentrale wird bestreikt, weil der Gewerkschaft die angebotenen sieben Prozent Lohnerhöhung zu wenig sind.
Dieses arrogante Umgehen mit der Bevölkerung kennt man ja schon aus der Vergangenheit. Da hat der Senat fleißig die Volksbegehren ignoriert, unabhängig von der Eindeutigkeit der Ergebnisse. Das wird sicher auch beim jetzt begonnenen Begehren nicht anders sein: Pro Reli will erreichen, dass in Berlin der Religionsunterricht gleichgestellt wird mit dem Fach Ethik. Bisher ist „Ethik“ ein Pflichtfach und „Religion“ kann nach oder vor der offiziellen Schulzeit zusätzlich besucht werden.

Ein Volksbegehren wäre vielleicht auch im Zusammenhang mit der CDU nötig. Nachdem Friedbert Pflüger mit seinem Plan baden gegangen ist, nach dem Fraktions- , und stattdessen nun mit Nix da steht, ist noch lange nicht Ruhe im Karton. Erst musste der bisherige Parteichef Ingo Schmitt seinen Posten gegen Pflüger verteidigen (um nach dem Sieg anzukündigen, dass er nächstes Jahr eh nicht mehr antritt), als nächstes bekam er Konkurrenz im Anspruch auf sein Bundestagsmandat. Wieder kam so ein Querkopf an und wollte ihm das Amt wegnehmen. Christoph Wegener unterlag zwar im Wahlkreis Charlottenburg, aber Schmitts Position wird immer bröckeliger. Da nützt es auch nichts, dass sich mittlerweile sogar die Bundes-CDU um das Erscheinungsbild des Landesverbands Sorgen macht und ihn zur Ordnung ruft.
Nötig ist das allemal, auch auf tieferer Ebene. Zum Beispiel in Reinickendorf, wo die christdemokratische Bürgermeisterin Marlies Wanjura von der Senatskanzlei mit einem Verbot der Dienstausübung belegt worden war. Hintergrund sind angebliche Unregelmäßigkeiten bei der Auftragsvergabe zum Ausbau des Borsighafens in Tegel sowie beim Sammeln von Spenden. Das generelle Verbot wurde letzte Woche aufgehoben, jedoch darf sie noch immer keine Akten einsehen oder bearbeiten, die sich mit diesen beiden Punkten beschäftigen.
Übrigens: Nicht, dass der Eindruck entsteht, hier würde nur gegen die CDU geschossen. Sie hat sich in den vergangenen Wochen nur sehr in den Vordergrund geschoben. Aber Kasperle-Theater werden wir sicher auch bald wieder von den anderen Parteien sehen. Fortsetzung folgt.

print

Hinterlasse jetzt einen Kommentar

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*