Ausgerockt

Die Uralt-Rocker aus DDR-Zeiten haben aufgehört. Rund 26.000 Zuschauer sahen die zwei ausverkauften Konzerte der Puhdys in der Mehrzweckhalle Friedrichshain, Abschiedskonzerte. Dabei stehen sie bis zum Juni noch 20 mal zusammen mit Karat und City auf der Bühne, die „Rocklegenden“ nennen sie sich selbst.
Ganz falsch ist das nicht. In der DDR waren die Puhdys unangefochten die Nummer 1, sozusagen das Bayern München des DDR-Rock. Das brachte ihnen nicht nur Freunde ein. Manch einer warf ihnen vor, zu staatsnah zu sein, zu sehr die Karriere im Auge zu haben und deshalb still zu sein. Das stimmte nur begrenzt. Sie solidarisierten sich mit Musikern, die Auftrittsverbote hatten, eines ihrer erfolgreichsten Songs (über das Verhältnis zwischen DDR und BRD) durfte im DDR-Rundfunk nicht gespielt werden. Aber eine Widerstandsband waren sie natürlich nicht.

Dabei sprachen die Puhdys schon damals Themen an, die in der Rockmusik nicht üblich waren. Ihre Lieder über Nazis, Homophobie, Rassismus oder Mobbing machten auch vielen Menschen Mut, die selber betroffen waren. Sie sangen über Selbstmord von Jugendlichen, über einen toten S-Bahn-Surfer, über den jungen Knackie, den alternden Gigolo, den zweifelnden Grenzsoldaten und im Jahr 2002 über die Elbe-Flut.

Manche der Songs haben auch mein Leben beeinflusst. Vor allem diejenigen, in denen es darum ging, wie man eigentlich leben möchte. Angepasst, glatt und erfolgeich – oder glücklich, weil man zu sich selber und den eigenen Bedürfnissen steht. Auch wenn dies oft schwieriger ist.
Es waren nicht nur die Lieder, die Bandmitglieder kamen zwar manchmal prollig rüber, waren jedoch alles andere als oberflächlich. Mit dem damaligen Bassisten Harry saß ich ein paarmal am Müggelsee auf dem Steg. Wir haben uns intensiv über das Leben in der DDR unterhalten (ich selber wohnte damals in West-Berlin), über das was werden könnte und wie man sich selber dazu verhalten soll.
Nach einem Konzert in Hamburg habe ich eine intensive Diskussion innerhalb der Band miterlebt, in der es um das Thema ging, wie weit man sich verbiegen sollte oder eben nicht. Anlass war die Überlegung des Drummers Gunther, die Band und die DDR zu verlassen und in die Bundesrepublik zu ziehen. Das hat er später dann auch getan.
Solche Diskussionen waren möglich, auch wenn man natürlich wusste, dass auf Auslandsfahrten immer jemand für die Stasi mitschrieb. Im Fall der Puhdys war das der Keyboarder Peter. Er ging damit relativ offen um und man wusste, dass bestimmte Dinge eben nicht in seinen Berichten landen würden.

Hamburg und die Puhdys, das gehörte sowieso ein bisschen zusammen. Beim ersten Konzert waren wir viel zu früh der Stadt. Also fuhren wir mit den Autos und LKWs herum, besichtigten die Reeperbahn und den Hafen. Als wir wieder raus wollten, um zur Halle zu fahren und die Bühne aufzubauen, standen wir plötzlich am Zoll. Der glaubte uns nicht, dass wir als Touristen im Hafen waren und so standen wir mit der gesamten Musik- und Lichtanlage an der Hafenausfahrt und kamen nicht mehr raus.
Einige verzweifelte Telefonate später bot das Management von Udo Lindenberg an, dessen Anlage zur Verfügung zu stellen. So kam es dann auch und das Konzert konnte mit einer fremden Anlage doch noch stattfinden.

Der Erfolg der Puhdys lag auch daran, dass sie sehr lebensnah waren. Die Texte mit den Alltagsthemen, auch die Interviews, die offene Art sich bei Festen und Veranstaltungen zu bewegen. In ihrer Heimat zwischen Köpenick und Erkner wusste jeder wo die Musiker leben, sie nahmen trotz Promiestatus am Kleinstadtleben von Friedrichshagen und Rahnsdorf teil. Arroganz war ihnen fremd.

Musikalisch hatte sich die Puhdys schon früh festgelegt. Ihre Rockmusik war oft so melodisch, dass eine lange Reihe von Ohrwürmern heraus kam. Lieder wie „Ikarus“, „Alt wie ein Baum“ oder „Sturmvogel“ können heute noch von Tausenden Menschen auswendig mitgesungen werden.

Faszinierend ist, dass die Band bis zum Schluss viele junge Menschen angezogen hat. Die Musiker sind gealtert, die meisten schon über 70 Jahre alt. Auf den Konzerten aber gehts schon bei Jugendlichen los, der Durchschnitt liegt vielleicht bei 40 Jahren. Viele der Fans waren noch nicht mal geboren, als die Band im Jahr 1969 gegründet wurde.
Die Puhdys waren ein Phänomen, im Osten, aber immer mehr auch in der Bundesrepublik. In ihrem doch ziemlich hohen Alter haben sie zum Schluss jährlich noch mehr als 100 Konzerte gegeben. Als deutschsprachige Liveband waren sie unübertroffen. Sie werden fehlen. Mir jedenfalls.

Foto: Ralf Roletschek

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6 Kommentare

  1. „sozusagen das Bayern München des DDR-Rock“ :-)
    Diese Formulierung hätte Klaus sicher gefallen!

    „der Keybo(a!)rder Peter. Er ging damit relativ offen um und man wusste, dass bestimmte Dinge eben nicht in seinen Berichten landen würden.“
    Heisst das, Peter war ein IM, der nicht alles weitergegeben hat?

    „sie nahmen trotz Promiestatus am Kleinstadtleben von Friedrichshagen und Rahnsdorf teil.“
    Wohl nicht so ungewöhnlich für DDR-Promis. Gab es in dem Staat doch deutlich weniger Klassenunterschiede als im Westen.

  2. Stimmt, Keyboarder.
    Ja, der engere Kreis wusste, dass er der IM war, auch wenn wir den Begriff nicht kannten. Und wir wussten, dass er bestimmte Dinge nicht weitergegeben hat, die jemanden belasten könnten. Das gleiche habe ich auch bei Freunden in der Leipziger Punkszene erlebt, jedenfalls bei einem. Da wusste es der engere Freundeskreis auch und er hat nur unverfängliche Dinge berichtet.
    Es war uns ja lieber, dass wir wussten, wer es ist, als wenn es unbekannt gewesen wäre. Bei den Puhdys war nicht klar, ob es noch einen anderen gab, aber offenbar nicht, sonst hätte es gegen mehrere Personen Repressionen gegeben. Bei den Leipzigern waren auf jeden Fall noch andere IMs, das hat man immer wieder an den Hausdurchsuchungen gemerkt. Letztendlich habe ich deshalb auch Einreiseverbot in die DDR bekommen. Allerdings stand in meiner Stasiakte kein konkreter Name.

  3. Schade dass sie aufhören. Ich habe die Puhdys in den letzten zehn Jahren einige mal hier in Sachsen live gesehen, das war immer ein Erlebnis. Sie sind drei mal so alt wie ich.

  4. Ich bin seitb 1971 PUHDYS-Fan , hatte mal ein Fanclub und nun ist alles vorbei, schade.
    Ja sie werden uns fehlen aber Ihre Musik bleibt.
    Mit 55 Jahren kann ich stolz sagen in Osten geboren mit dieser Musik groß geworden und keinen Tag bereut. Viele Grüße an die PUHDYS und das Forum, Euer Rätsel-König Fränki

  5. Auch wenn ich (unverschuldet) in Westdeutschland geboren bin, bin ich unendlich traurig, dass es die Puhdys nicht mehr geben wird, dafür werde ich aber immer Fan ihrer Musik bleiben und Fan bin ich seit 1976, seit den ersten Klängen von „Geh zu ihr“ und „Wenn ein Mensch lebt“, von einer Original Amiga LP eines Mitschülers, die er sich auf(West)Berlin Klassenfahrt in(Ost)Berlin gekauft hat.

  6. Danke für Deinen Bericht.

    Es ist schade das so eine erfolgreiche Band ihr gemeinsames Schaffen beendet. Dennoch ist es aber verständlich. Sie haben uns viele tolle musikalischen Hinterlassenschaften vererbt und das kann uns keiner nehmen.
    Und so ganz geht man ja nie, heisst es in einem sehr schönen Song. So ist es auch bei den PUHDYS. Maschine & Quaster machen solo weiter und mit der kommenden Tour der „Rocklegenden“ haben viele Fans die Möglichkeit die Band noch einmal zusammen sehen und hören zu können. Quasi ein Abschied auf Raten.

    Viele Grüsse aus Berlin, sendet der PUHDYS Fanclub „Das Buch“.

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