Frischling

Ich erinnere mich noch an meine erste Fahrt als Taxifahrer, das war vor 20 Jahren. Kottbusser Tor zum Lietzensee, zwei alte Damen. Als sie gehört hatten, dass ich ein Frischling bin, waren sie voll des Lobes für mich. Ich hatte für den ersten Fahrgast eine kleine Flasche Sekt dabei, die ich ihnen noch überreichte. Sie gaben mir ein gutes Trinkgeld und viele gute Wünsche.

Gestern nun war einer der seltenen Gelegenheiten, dass ich mal als Taxikunde unterwegs war. Ich finde es sehr interessant, „incognito“ unterwegs zu sein, mich also erstmal nicht als Taxifahrer zu outen. Man kriegt seine Kollegen ja sonst nur an der Halte oder in der Firma mit, nicht aber im Taxi.
Die Fahrt vom Neuköllner Gewerbegebiet nach Mariendorf war nicht besonders spektakulär oder schwierig, trotzdem wunderte es mich, dass der Kollege erstmal wendete und losfuhr. Dabei hatte ich ihm nicht nur die Zieladresse gesagt, sondern auch „über die Späthstraße“ – die aber war in der anderen Richtung. Gleichzeitig gab er die Adresse in sein Navi ein und wollte direkt in die Autobahnbaustelle Grenzallee fahren.

Ich stoppte ihn erstmal unfreundlich und sagte, dass ich bitte über die Späthstraße fahren möchte, das hatte ich ihm doch schon beim Abfahren gesagt. Und die derzeitige Route führt nun ganz woanders hin. Er reagierte ziemlich kleinlaut und während ich ihn auf die Autobahn lotste, um an der nächsten Ausfahrt wieder runter zu fahren, stammelte er, dass es sein erster Arbeitstag sei. Es stellte sich heraus, dass er erst seit drei Stunden Taxi fuhr, ich war sein vierter Fahrgast und er kommt aus einer ganz anderen Gegend.

Ich war nun besänftigt und gab ihm einige Tipps. Zum Beispiel, dass es wenig sinnvoll ist, erstmal in irgendeine Richtung loszufahren. Man sollte klar sagen, wenn man das Ziel oder die Strecke nicht kennt und erstmal nachschauen muss. Das zeugt von Souveränität, schließlich kennt sich niemand überall in der Stadt genauso gut aus. Wenn man offen dazu steht, haben die meisten Fahrgäste Verständnis dafür, das kenne ich aus eigener Erfahrung gut.

Am Ziel angekommen wollte ich mit EC-Karte zahlen. Ich hatte extra ein entsprechendes Taxi bestellt. Es stellte sich aber raus, dass er mit dem Gerät überhaupt nicht klar kam, sein Chef hatte ihm keine Einweisung gegeben. Auch ich kannte sein System nicht und wusste nicht, wie man es bedient. Ich hatte den Eindruck, dass es nicht mal vollständig konfiguriert war. Zum Glück hatte ich genügend Bargeld dabei.
Mein letzter Tipp war noch, dass er sich alles aufschreiben sollte, was er nicht wusste und dann sollte er es sich von seinem Chef erklären lassen. Im Taxi ist man schließlich allein auf sich gestellt und sollte die Technik kennen.

Zum Schluss machte ich ihm noch Mut und wünschte ihm für den Job alles Gute. So wie damals die beiden alten Damen mir gut zugeredet hatten. Und ein gutes Trinkgeld bekam er ebenfalls.

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