Wieso gegen Datenvorratsspeicherung?

Klar, wer nichts zu verbergen hat, braucht sich auch nicht über die zunehmende Überwachung aufzuregen. Aber so einfach ist es nicht. Dass Innenminister Wolfgang Schäuble jetzt alle Verbindungsdaten aus Telefon- und Internetverbindungen speichern will, kann der zwar gerne als Anti-Terror-Maßnahme verkaufen – aber tatsächlich ist es mehr als eine kleine Einschränkung unserer Datenselbstbestimmung oder das „kleinere Übel“ im Kampf gegen Terror, Kriminalität oder sonstwas. Diese Speicherung steht nämlich nicht für sich allein. Sie ist nur ein einziger Schritt auf dem langen Weg zum Überwachungsstaat, und dies ist keine überzogene Paranoia. Die immer lückenlosere Beobachtung durch Kameras fällt uns kaum noch auf, denn die dunklen, runden Glaskugeln verbergen die spitzelnden Augen gut. Dabei geht es hier nicht mehr nur um normale Videoaufnahmen, denn längst werden Kameras erprobt, die jedes Gesicht sofort mit einer Datenbank abgleichen.
Zentrale Dateien beim Bundeskriminalamt (BKA), die geplante Einführung einer lebenslangen Personennummer für jeden Bürger, die schon jetzt fast lückenlose Erfassung aller Fahrzeuge auf den deutschen Autobahnen (nicht nur der Lastwagen!), die Überwachung privater Computer durch einen eingeschleusten Trojaner, sind weitere Maßnahmen in der Ausspähung der Bürger.
Sicher – es sind bestimmt auch Maßnahmen, um Kriminelle zu fassen. Doch gerade professionelle Verbrecher und Terroristen sind durchaus in der Lage, gefälschte Nummernschilder an die Autos zu schrauben oder der Überwachung der Telekommunikation z.B. mit Prepaid-Karten zu umgehen. Innenminister wollen aufgrund ihrer Funktion natürlich möglichst alles unter Kontrolle zu haben. Und sicher ist es verständlich, dass jemand der selber Opfer eines Anschlags geworden ist (wie Herr Schäuble), ein besonderer Hardliner darin ist, die volle Kontrolle zu bekommen. Aber das ist nur möglich, wenn man die Bürgerrechte ein sehr großes Stück beschneidet oder abschafft. Und dazu ohne Garantie, dass es überhaupt irgendeinen Vorteil hat.
Stattdessen verlieren die Bürger die Kontrolle über ihre eigenen Daten. Gerade diese Kontrolle aber war in der Bundesrepublik nicht umsonst von Anfang an fest verankert, weswegen bis heute noch die Akten der Polizeien in den Bundesländern und Kommunen liegen und nicht zentral beim BKA. Die deutsche Vergangenheit hat gezeigt, dass eine zentrale Sammlung allen Wissens für die Betroffenen fatal sein kann, ohne dass sie kriminell wären. Die lückenlose Erfassung der Juden hat Anfang der 40er Jahre deren Vernichtung sehr effektiv unterstützt. Und wer weiß wirklich, wie es in unserem Land später aussieht, vielleicht haben wir in 10 oder 20 Jahren wieder eine Diktatur, die dann sehr genau bescheid weiß darüber, wer z.B. Jude, Gewerkschafter, homosexuell ist oder sonstwie außerhalb des dann herrschenden Weltbilds steht.
Aber man braucht gar nicht die Gefahr einer Diktatur zu bemühen. So sind schon die Server z.B. des CIA oder des Pentagons Opfer von erfolgreichen Hackerangriffen geworden, dazu die Vereinten Nationen, sämtliche großen Konzerne oder auch der Regierungsrechner von Nordrhein-Westfalen. Daten sind nirgends sicher. Und wir als Bürger haben auch keine Chance, zu kontrollieren wo über uns was gespeichert wird. Oder weitergegeben. Oder auch illegal genutzt.
Gegen die Datenvorratsspeicherung zu sein, ist nicht nur ein „linkes Querdenken“. Es betrifft konkret unser aller Leben, weil sie ein Teil der zunehmenden Datensammelwut ist. Nicht die einzelne Maßnahme ist dabei entscheidend, sondern die Zusammenfassung aller Überwachungsmethoden. Von der Datenvorratsspeicherung über die Ausspähung per Mautbrücken und dem Bundestrojaner bis hin zur neuen geplanten Volkszählung. Man muss sich gegen die einzelne Maßnahme wenden, damit das Puzzlespiel des Überwachungsstaats niemals komplett wird. Wenn auch den entscheinenden Politikern vielleicht gar nicht klar ist, dass sie hier an der totalen Ausspähung arbeiten – am Ende wissen die Geheimdienste mehr über uns, als wir selber. Und wer „nichts zu verbergen“ hat, der darf gerne alle seine Kontoauszüge, Telefonmitschnitte, Pornobildchen im Computer und Daten der geheimen Bordellbesuche bei uns abgeben – wir werden sie dann gerne veröffentlichen.

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2 Kommentare

  1. Ja, es ist unheimlich, was jetzt schon alles über uns gespeichert wird. Unsere Konsum- und Reisegewohnheiten, z.B., wenn wir mit ec-Karte bezahlen oder Geld im Ausland abheben. Ich begehe (wissentlich) keine Straftaten, möchte mein Privatleben aber nur dort offenlegen, wo ich das möchte. Will mich auch weiterhin frei und ohne Einschränkung am Telefon und per e-mail äußern können. Das Briefgeheimnis ist eine der wichtigsten demokratischen Errungenschaften. Ich möchte auch nicht mit einer Schere im Kopf herumlaufen. Also: was können wir dagegen tun?

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