Alles macht sich fein zur Fußball-WM

In 100 Tagen beginnt die Fußball-Weltmeisterschaft in Deutschland, ein Schwerpunkt ist Berlin. Langsam steigt die Spannung und die Nervosität, vielerorts ist eine gesteigerte Hektik zu verzeichnen. Es ist zwar nicht die erste Großveranstaltung in Berlin, aber da sie sich über einen Zeitraum von vier Wochen hinzieht, hat sie eine höhere Bedeutung, als z.B. die Love Parade oder das Istaf.
Der Senat hat versprochen, bis zum 9. Juni die Straßen einigermaßen befahrbar zu machen, er lässt einige Millionen springen, damit die tiefsten Schlaglöcher geschlossen werden, wenigstens auf den Hauptstraßen. Als Ausgleich wurde mit dem Abriss des Republikpalastes eine neue Großbaustelle geschaffen. Die Bahn eröffnet zwei Wochen vor der WM den neuen Hauptbahnhof, hier wird es rundherum mehr Baustellen als Infrastruktur geben. Aber wenn „die Welt zu Gast bei Freunden“ ist, sieht sie über solche Nebensächlichkeiten sicher großzügig hinweg. Außerdem wird sie ja durch die neue U-Bahn-Linie 55 ersetzt, mit der man vom Hauptbahnhof bis zum U-Bahnhof Reichstag fahren kann (der laut BVG dann allerdings nicht „Reichstag“ heißen wird, sondern „Bundestag“) – immerhin 700 Meter!

Auch sonst bereiten wir uns vor:

Neue Fahrbahnmarkierungen und Ampelschaltungen
Da die Straße des 17. Juni sowie das Areal rund um das Olympiastadion zum geschlossenen Bereich wird, will der Senat an den zuführenden Straßen die Ampeln umprogrammieren. 24 Anlagen werden so geschaltet, dass sie dem abfließenden Verkehr Vorrang geben. Zusätzlich werden an Kreuzungen neuen Markierungen vorgenommen, die den Autoverkehr in andere Bahnen lenken.

Zeltplatz in der City
2000 Fußballfans werden in einer Zeltstadt in Moabit untergebracht. Auf dem Gelände des Poststadions in der Lehrter Straße wird das Camp von der Sportjugend Berlin betreut. Das soll verhindern, dass die Leute im Tiergarten zelten.

Bus- und Taxifahrer sollen Englisch lernen
Die Berlin Tourismus Marketing (BTM) dachte wohl, dass man den Berliner Taxifahrern beibringen muss, Englisch zu sprechen. Nun hat sie sich beschwert, dass nur rund 100 der etwa 13.000 Taxler das Angebot für einen Sprachkurs angenommen haben. Offenbar weiß die BTM nicht, dass die meisten bereits in der Schule Englisch gelernt haben und dass außerdem tausende Taxifahrer Studenten oder sogar Akademiker sind, bei denen englische Sprachkenntnisse selbstverständlich sind. Eventuell liegen die Kommunikationsschwierigkeiten aber an anderer Stelle…?
Auch bei der BVG sieht man Nachholbedarf. Bis Juni werden im Betriebshof Müllerstraße 1000 Busfahrer (nach)geschult. Auch Fahrkartenverkäufer und Kontrolleure nehmen am Unterricht teil. Vielleicht sollte man ihnen auch gleich etwas mehr Freundlichkeit beibringen.
Für besonders pfiffig hält sich die S-Bahn: Nachdem sie 270 Servicemitarbeiter geschult hat, will sie diese verdeckt mit Alibi-Touristen testen. Was mit denjenigen passiert, die nicht ausreichend Englisch können, wurde leider nicht bekannt.

Ein Fest für Großbildleinwand-Dealer
Weil das Interesse an den Fußballspielen größer ist als das Olympiastadion, ist vorgesehen, die Spiele live auf elektronischen Großbildleinwänden in den Städten zu zeigen. Sie stehen allem auf der Straße des 17. Juni, am Potsdamer Platz und im Treptower Park. Doch der Markt an solchen Leinwänden ist begrenzt und wer sich nicht rechtzeitig eine gesichert hat, muss nun bis nach der WM warten. Deshalb wird es an manchen Orten nur kleinere Ausführungen geben.

Graben im Olympiastation wird überbrückt
Als die Stiftung Warentest vor einigen Wochen mehreren WM-Stadien schlechte Noten für die Sicherheit gab, witterten manche schon Vaterlandsverrat. Besonders das Berliner Olympiastadion wurde kritisiert, u.a. wegen der zu steilen Treppen in den Fanblocks. Das lässt sich nicht mehr ändern. Der sogenannte Reportergraben jedoch, der 1936 zur Olympiade angelegt wurde, in dem aber längst keine Reporter mehr arbeiten, wurde dann auch von der FIFA beanstandet. Der 2,7 Meter tiefe und 1,80 m breite Graben zieht sich am Fuß der Zuschauertribünen rund um das Spielfeld. Im Falle einer Panik könnten die Fans nicht in das Stadioninnere flüchten, sondern sie würden in den Graben fallen. Das Loch einfach zuzuschütten geht offiziell aus Gründen des Denkmalschutzes nicht. In Wirklichkeit besteht aber auch kein Interesse daran, da er eine gute Barriere gegen Leute bietet, die eventuell das Spielfeld stürmen wollen. Zur WM werden nun 30 versenkbare Übergänge installiert. Diese Brücken sollen im Notfall schnell über den Graben geklappt werden. Ob das bei einer Panik dann auch so klappt…?

Big Brother passt auf
Um feiernde Fans und prügelnde Hooligans beobachten zu dürfen, wäre eine möglichst großflächige Kamera-Überwachung nötig. Da wir hier aber nicht in London oder Nordkorea sind, ist das nicht erlaubt. Also greift der Innensenat auf einen Trick zurück: Die „Fanmeile“ auf der Straße des 17. Juni, die mit einem 5 km langen Zaun abgesperrt ist, wird offiziell privat vom Veranstalter überwacht. Er darf dann filmen und die Aufnahmen auch aufzeichnen.

Fahnenmeer auf Berlins Straßen
Die Olympischen Spiele 1936 waren pompös inszeniert, Flaggen und Scheinwerfer präsentierten die Stadt sehr eindrucksvoll. Vielleicht hat man sich deshalb beim Senat gesagt: Wenn die WM-Spiele schon im Olympiastadion von 1936 stattfinden, dann kann man auch gleich auf andere bewährte Erfahrungen bei der Präsentation Berlins zurückgreifen. Also wird es während der Weltmeisterschaft ein Flaggenmeer geben: Auf den großen Straßen und Plätzen, an Bahnhöfen und Flughäfen, an Rathäusern und Verwaltungsgebäuden werden insgesamt 2400 Flaggen und Banner aufgehängt. Wer Böses dabei denkt, ist selber schuld.

Und die Politik?
Auch die Politik hat die Chance begriffen, sich während der WM zu präsentieren. Hier sind bisher allerdings nur Gerüchte im Umlauf, bei denen sich unsere Redaktion nicht sicher ist, dass sie der Wahrheit entsprechen:
Dr. Friedbert Pflüger, der CDU-Herausforderer von Wowereit, soll sich entschlossen haben, selbst an einem Spiel der deutschen Mannschaft teilzunehmen. Damit will er seine Kompetenz auch in Fragen des aktiven Sports unterstreichen.
Klaus Wowereit dagegen hat sich während der WM Urlaub genommen, er möchte die gesamten vier Wochen auf der Fanmeile durchfeiern.
Bundeskanzlerin Angela Merkel soll sich angeblich mittels einer Operation ein Lächeln ins Gesicht nähen lassen. Hoffentlich sieht sie dann nicht aus wie die lächerlich-lachenden Gesichter im offiziellen WM-Emblem…

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