Die Straße der Pariser Kommune

In westlichen Friedrichshain haben sich noch ein paar Namen erhalten aus dem revolutionären Fundus der DDR. Natürlich die Karl-Marx-Allee, aber auch der Franz-Mehring-Platz (nach dem KPD-Mitgründer), wo noch heute in großen Buchstaben die einstige SED-Tageszeitung „Neues Deutschland“ Werbung für sich macht. Sehr schön aber finde ich, dass die Straße der Pariser Kommune ihren Namen behalten hat. Denn was Marx zusammen mit Friedrich Engels (dessen Straße in Pankow liegt) theoretisch erarbeiteten, wurde im Jahr 1871 in der französischen Hauptstadt in die Realität umgesetzt.

Vor 150 Jahren übernahmen die „einfachen Leute“ in Paris die Macht. Sie nannten ihre Regierung „Kommune“, worauf sich bis heute die Kommunisten berufen. Die Pariser Kommune gilt vielen noch immer als Vorbild einer Regierung des Volkes.

Begonnen hatte es mit dem Deutsch-Französischen Krieg und der Niederlage der napoléonischen Armee bei Sedan. Die deutsche Armee unter Wilhelm I. nahm am 1. September 1870 Kaiser Napoléon III. sowie 200.000 Soldaten gefangen. Als die Nachricht Paris erreichte, revoltierte das Volk. Es bildete sich eine republikanische „Regierung der nationalen Verteidigung“ unter Adolphe Thiers und Jules Favre. Da die preußische Armee bereits auf Paris zu marschierte, bewaffnete die neue Regierung mehr als 100.000 Arbeitslose und andere Pariser Bürger und Bürgerinnen, um die Stadt zu verteidigen. Mitte September erreichte die deutsche Armee Paris und begann mit einer Belagerung. Noch am selben Tag nahm Favre Kontakt zu Bismarck auf und führte Geheimverhandlungen. „Regierung des nationalen Verrats“ nannte das Volk die Regierung nun, die dann im Januar 1871 tatsächlich einen Vertrag mit Preußen schloss, der die Kapitulation sowie die Übergabe der französischen Soldaten an die Deutschen vorsah.

Im Februar 1871 gründete sich das „Zentralkomitees der Nationalgarde“. Diese Garde wollte die Interessen der bewaffneten Bürger vertreten und entwickelte sich zum revolutionären Motor. Das blieb der bürgerlichen Regierung von Thiers und Favre nicht verborgen. In der Nacht zum 18. März 1871 versuchten zwei Generäle im Auftrag von Thiers den Aufständischen mehr als 220 Kanonen zu stehlen, um sie militärisch zu schwächen. Doch die Revolutionäre schliefen nicht und verteidigten die Kanonen. Die beiden Generäle befahlen ihren Soldaten, auf die Menschen zu schießen – die aber drehten sich um und erschossen stattdessen ihre Generäle. Thiers und Favre forderte die Nationalgarde noch auf, sich ihnen zu unterwerfen. Doch von 300.000 Gardisten folgten ihnen nur rund 300. Daraufhin floh die Regierung nach Versailles.

Die Nationalgarde wählte sich noch am selben Tag neue Offiziere und proklamierte:
„Die Proletarier von Paris, inmitten der Niederlagen und des Verrats der herrschenden Klassen, haben begriffen, dass die Stunde geschlagen hat, wo sie die Lage retten müssen, dadurch dass sie die Leitung der öffentlichen Angelegenheiten in ihre eigenen Hände nehmen. Sie haben begriffen, dass es ihre höchste Pflicht und ihr absolutes Recht ist, sich zu Herren ihrer eigenen Geschichte zu machen und die Regierungsgewalt zu ergreifen.“

Zehn Tage später fanden Wahlen zum Rat der Kommune statt. Statt Adliger, Geistlicher und Militärs bestimmten nun Bäcker, Schuster und Buchbinder die Geschicke. Privilegien wurden abgeschafft, Beamte erhielten nur noch den durchschnittlichen Arbeiterlohn. Abgeordnete, Lehrer, Richter und Beamte konnten jederzeit wieder abgewählt werden. Kirche und Staat wurden getrennt, der Religionsunterricht abgeschafft. Die Guillotine wurde verbrannt, von ihren Besitzern verlassene Fabriken wurden den Arbeitern übergeben.

Die neue Regierung hatte es sich zur Aufgabe gemacht, für das Volk menschenwürdige soziale Verhältnisse zu schaffen. Ein Teil der Commune wollte jedoch nicht nur Paris halten und dort neue Verhältnisse schaffen, sondern auch nach Versailles marschieren und die Thiers-Regierung und ihre Versallen unterwerfen. Sie konnten sich jedoch nicht durchsetzen, was sich im Nachhinein möglicherweise als entscheidender Fehler entpuppte.
Denn Thiers handelte mit dem preußischen General Moltke die Freilassung der französischen Kriegsgefangenen aus, die von der Entwicklung in Paris nichts mitbekommen hatten. Moltke und Bismarck befürchteten, dass ein Erfolg der Commune auch Auswirkungen nach Preußen haben würde.
Mit Unterstützung durch die deutschen Truppen begann die Versailler Regierung mit Angriffen auf Paris. In der ersten Maiwoche gelang ihnen der Durchbruch, doch die Kommunarden setzten sich massiv zur Wehr. Mehrere Wochen dauerten die Kämpfe und als immer mehr Revolutionäre starben, wurde noch ein eigenes Frauenbataillon gegründet.

Am 28. Mai 1871 fiel die Pariser Commune. Die letzten Kämpfe gab es auf Père Lachaise, dem größten Friedhof von Paris. „Die Grabsteine von gestern sind ihre Schilde in ihrem Kampf für morgen. Und in die frommen Sprüche, in Gold auf geädertem Stein, fahren mit unheiligem Getös‘ tausend blutige Flüche und gellende Schüsse ein.“
In den Tagen danach wurden 30.000 Kommunarden hingerichtet, 40.000 weitere in Gefängnisse gesteckt.

Die Pariser Kommune war der erste Versuch zur Errichtung einer sozialistischen Gesellschaft. Er ist bitter gescheitert und war doch für Vorbild für nachfolgende Revolutionen. Einer ihrer Kämpfer war der Dichter Eugène Pottier, der unmittelbar nach der Niederschlagung die „Internationale“ schrieb, das wohl weltweit bekannteste Kampflied der sozialistischen Arbeiterbewegung.

„Der sozialdemokratische Philister ist neuerdings wieder in heilsamen Schrecken geraten bei dem Wort: Diktatur des Proletariats. Nun gut meine Herren, wollt ihr wissen wie diese Diktatur aus­sieht? Seht euch die Pariser Kommune an. Das war die Diktatur des Proletariats“.
London, am 18. März 1891, dem zwanzigsten Jahrestag der Pariser Kommune. Gezeichnet: Friedrich Engels

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1 Kommentar

  1. Dazu das Buch von Jutta Dittfurth: Lebe wild und gefährlich ;) Sehr schön beschrieben. Aber überall in Friedelhain kann man noch die Zeichen der DDR erkennen und vieles interessante finden, wenn man nur sucht ;)

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