Das Baumhaus an der Mauer

Wer heute vom Kreuzberger Mariannenplatz in Richtung Köpenicker Straße läuft, dem begegnet auf einer dreieckigen Mittelinsel ein buntes Baumhaus. Das Haus am Bethaniendamm ist aber streng genommen gar kein Baumhaus, da es nicht auf einem Baum, sondern um zwei Bäume herum errichtet wurde.

1983, kurz nach der großen Besetzerbewegung in West-Berlin, entdeckte der türkische Immigrant Osman Kalin unmittelbar an der Mauer eine vermüllte Verkehrsinsel. Da hier noch für lange Zeit kein Auto fahren würde, besetzte er die dreieckige Fläche kurzerhand und baute darauf eine Hütte. Mittlerweile Rentner geworden legte er auch einen Garten an. Das kleine Grundstück lag zwar auf West-Berliner Seite, gehörte jedoch zum DDR-Staatsgebiet. So ließen die West-Behörden Osman Kalin in Ruhe, da er sich ja theoretisch im Ausland befand. Die DDR jedoch war anfangs weniger nachsichtig. Sie befürchtete, er könnte von dort einen Fluchttunnel nach Ost-Berlin graben. Schließlich aber erhielt er vom Zentralkomitee der SED eine offizielle Genehmigung zur Nutzung des Grundstücks. Dort entstand ein ganzes Feld von Pflanzen, ein dichter Garten.
Bis heute wird vermutet, dass der linke Rechtsanwalt Klaus Croissant bei der Entscheidung seine Finger im Spiel hatte, da er direkt neben dem Baumhaus wohnte und einen guten Draht in die SED hatte.

Nach dem Mauerfall erweiterte Kalin den Garten und baute ein zweigeschossiges Gebäude mit Betonfundament. Der Bezirk Mitte forderte ihn zum Verlassen des Grundstücks auf, was aber eine breite Welle der Solidarität mit Herrn Kalin auslöste. Schließlich wurde das Gebiet an den Bezirk Kreuzberg überschrieben, der dem Mann eine Sondergenehmigung ausstellte.
1991 und 2003 wurde die Hütte bei Brandanschlägen zerstört, aber beide Male wieder aufgebaut. Heute kümmert sich Kalins Sohn um das Haus.

Foto: CC BY-SA 3.0

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1 Kommentar

  1. Solche kleinen Geschichten zeigen mir, dass Berlin doch auch noch menschlich sein kann. Was mich interessieren würde, durch wem wurde das Baumhaus denn zerstört? Waren es Unfälle, bzw. Unwetter oder waren es irgendwelche politisch motivierte Zerstörungen? Oder ganz was anderes?

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