Selber schuld

Erinnern Sie sich noch? 15 lange Jahre lang wurde erst West- und dann Gesamt-Berlin von einem Mann regiert, der als Inbegriff der Schlaftablette galt: Eberhard Diepgen, der Helmut Kohl von Berlin, sah sich gerne als Junge vom Wedding. Und doch war der immer Gescheitelte ein Symbol der Spießigkeit, der 60er Jahre, selbst noch in den Neunzigern.
Es war eine Erlösung, als 2001 plötzlich ein anderer das Amt des Regierenden Bürgermeisters übernahm. Einer, von dem man vorher kaum etwas gehört hatte, der nur in der Tempelhofer Bezirkspolitik bekannt war. Und er outete sich zuerst mal als schwul. Da flog den Wilmersdorfer Witwen vor Schreck das Gebiss in die Kaffeetasse, es war ein herrlicher Bruch in den gesellschaftlichen Konventionen. Dann brach er auch noch ein anderes Tabu, regierte mit der Linkspartei (damals noch PDS), es war ein frischer Wind, der durch Berlin zog. Vergleichbar mit der Präsidentschaft Obamas in der USA, auch dort kam jemand ans Ruder, der all die verkrusteten und spießigen Verhältnisse auf den Kopf stellen wollte. Und wie er ist auch Wowereit gescheitert.
Wowereits Feinde in der Politik und der Bürgerschaft diskreditierten ihn als „Party-Bürgermeister“. Für sie war Feiern offenbar schlimmer als der Bankenskandal, über den Diepgen letztlich gestürzt ist. Auch Obama musste abwegige Anfeindungen hinnehmen, er wurde sogar als Kommunist bezeichnet.
Klaus Wowereit war das Beste, das Berlin damals passieren konnte. Er brach verkrustete Strukturen auf, setzte andere Maßstäbe, die Berlin in der ganzen Welt als sympathische Metropole bekannt machten. Dass unsere Stadt heute international so beliebt ist und Ziel von Millionen Touristen aller Schichten, ist zu einem großen Teil Wowereits Verdienst.
Aber ach, es ist wie so oft, wenn jemand Macht hat. Sie korrumpiert und so wurde auch Klaus Wowereit mit der Zeit immer angehobener. Noch vor wenigen Jahren war der bei Beliebtheits-Umfragen immer ganz vorn, doch das änderte sich. Der Grund dafür ist nicht seine Rolle im Flughafendebakel um den BER. Natürlich hat er dort versagt, schon allein deshalb, weil er Politiker ist und nicht vom Fach. Die Regierenden im Bund und im Land Brandenburg haben ihm den Job des Aussichtsrats-Chefs zugeschoben, bis heute hat sich niemand anderes bereit erklärt, diese undankbare Rolle zu übernehmen. Dass Wowereit das nicht geschafft hat, ist Mist. Aber es ist nicht seine alleinige Schuld, denn alle anderen Aufsichtsratsmitglieder haben sich stets vornehm zurückgehalten. Er übernahm von Anfang an die Rolle des „Schwarzen Peters“ und selbst nach seinem ersten Rücktritt wollte ihn niemand wirklich ablösen. Sein Nachfolger Matthias Platzeck scheiterte erstaunlich schnell und wieder sprang Wowereit in die Bresche. Er hätte sich sicher eine schönere Aufgabe vorstellen können.
Nein, der Abstieg Wowereits hat nur in der Boulevardpresse mit dem Flughafen zu tun. Viel mehr ist es seine Arroganz, die er in den vergangenen Jahren entwickelt hat und die ihm in der Bevölkerung massig Sympathien gekostet hat. Vor allem rund um das Tempelhofer Feld hat er sich selber sein Grab geschaufelt. Es begann mit der Vergabe einige Hallen an die Modemesse Bread & Butter. Durch seine Zusage, dass sie zweimal jährlich Hallen nutzen dürfen, standen diese für feste Mieter nicht mehr zur Verfügung. Eine Diskussion über die Vergabe wurde von ihm unterdrückt, das Alliiertenmuseum und der Filmpark Babelsberg wurden durch diese selbstherrliche Entscheidung Wowereits vor den Kopf gestoßen.
Schlimmer aber war sein Verhalten vor einem halben Jahr. Er hatte den gesamten Senat auf seiner Seite, als es darum ging, dass das Feld teilweise bebaut werden solle. Die Zentrale Landesbibliothek sollte dort entstehen, ein Busbahnhof, Gewerbebetriebe sowie Townhouses für betuchte Mieter und Wohnungskäufer. Doch viele Berliner wollten keine Bebauung dieses riesigen freien Geländes mitten in der Stadt. Sie sahen es als eine Bereicherung der Lebensbedingungen und wollten es verteidigen. Als für den Mai dieses Jahres der Volksentscheid anstand, gab es zahlreiche gehässige Aussprüche von Klaus Wowereit und seines Lakeien Michael Müller, Senator für Stadtentwicklung und Umwelt. Sie hetzten über die Initiatoren des Volksentscheid und malten in schwärzesten Farben das Ende der Stadt aus, wenn das Feld in Zukunft nicht bebaut werden dürfte. Dass dabei mit falschen Zahlen ganz offensichtlich gelogen wurde, machte den Senator wie den Regierenden Bürgermeister endgültig unglaubwürdig. Sie reagierten eingeschnappt und trotzig und hätten sich – frei nach Bertold Brecht – am Liebsten ein neues Volk gewählt.
Der Abstieg Klaus Wowereits in der Gunst der Berliner Bevölkerung ist hausgemacht. Seine Zeit ist vorbei und es ist gut, dass er das selber begriffen hat und die Konsequenz daraus zieht.

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