Das Erwachen

Einfach wegbleiben
Räume meiden, in denen Telefone stehen
Den Hausbriefkasten entfernen
Der Briefträgerin aus dem Wege gehen
Die Klingel abstellen
Den Namen überkleben
Ein anderer werden.

Guten Morgen Herr Sekretär
Ich erwarte Ihre Befehle
Beachten Sie bitte aufmerksam meine willigen Augen
Mein untertäniges Lächeln
Meinen Kniefall
Meinen Abgang
Vermuten sie nicht neuerliche, unverschämte Provokation
Die den Gipfel des Erlaubten überscheitet
Dreist und frech ein Wunschbild karikiert
Ich bin es wirklich
Ein williger Empfänger Ihrer hohen Weisungen.

Weisen Sie mich nicht ab, Herr Obersekretär
Meine Frau, mein Kind, meine Konstitution
Meine Karriere, meine Hochachtung gilt Ihnen
Stellvertretend für alle Behörden und Ämter
Was will ich mehr, als ein geachtetes Mitglied des Vereins werden
Dem Sie vorstehen
Verständnisvoll und weit blickend
So erhören Sie mich doch.

Guten Tag, wir hätten uns gerne mit Ihnen unterhalten
Guten Tag, Ihre Fahrkarten bitte
Guten Tag, Ihren Führerschein bitte
Guten Tag, Ihre ehrliche Meinung bitte
Und machen Sie keine Zicken, wir wissen alles

Einfach liegen bleiben am Morgen
Die Augen schließen und die Fenster nicht öffnen
Der Weg war gut, der Kurs ist richtig
Alles auf eine Rechnung setzen
Die Lichtrechnung bezahlen
Das Zeitungsgeld bezahlen, heute zwischen 16 und 18 Uhr
Ein kleines Aufmucken bezahlen
In bar und Bitterkeit
Woher das Geld nehmen
Woher den Mut nehmen
Und die besseren Zeiten

Ziehen Sie sich an, Sie werden erwartet
Warum einen Wecker stellen
Das Erwachen kommt bald und spät
Der eingeschlagene Weg schlägt zurück
Keine Seitenstraße
Kein Fluchtweg bleibt
Sie haben gesagt
Wir haben gehört
Sie stellten in Frage
Wir antworteten Ihnen
Sie zweifelten an
Wir bezweifeln sehr stark
Sie gaben zu Protokoll
Wir schlagen einen letzten Termin vor.

Einfach liegen bleiben
Die Angst unter beider Lidern nehmen
Kein Wort mehr
Keinen Gedanken
Der ausbricht und wegrennt
Und wer weiß, wohin
Geben Sie mir das schriftlich
Schreib das auf
Morgen kannst Du das nicht mehr wissen wollen
Morgen ist kein Tag mehr
Nur noch Alltag
Verlogen und hell

Jürgen Fuchs

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