Zur Obersten Heeresleitung

Es kommt öfter vor, dass ich junge Soldaten in eine der Bundeswehrkasernen fahre. Meist in die Julius-Leber-Kaserne, die auch schon mal nach Hermann Göring oder später nach Napoleon benannt war.
Dieser Mann aber war nicht mehr so jung. Als er mir allerdings sein Ziel nannte, musste ich doch stutzen: „Zur OHL in der Leber-Kaserne“. Zwar kam er mir erstens noch nicht so alt vor, dass er die Oberste Heeresleitung noch gekannt hätte. Schließlich wurde diese nach dem Ersten Weltkrieg durch den Versailler Vertrag aufgelöst und mir war zweitens nicht bekannt, dass sie in den vergangenen 95 Jahren quasi im Untergrund weiter bestanden hätte und sich derzeit in einer Bundeswehrkaserne versteckt. Da der Mann die ganze Zeit über telefonierte, konnte ich ihn nicht fragen.

Wir fuhren ans Tor und mein Fahrgast sagt dem uniformierten Pförtner ebenfalls, dass er zur OHL möchte. Der stutzte nicht, sondern wollte die Einladung sehen, die ihm mein Fahrgast auch zeigte. „Links rum, dann ganz nach hinten und nochmal links“, beschrieb er mir die Strecke. „Ich kenne den Weg!“ schnauzte mein Oberster Heeresleiter von hinten und wir fuhren zum entsprechenden Gebäude. Das war jedoch dunkel und leer und schließlich stellte sich heraus, dass wir auf die andere Seite der Kaserne mussten. Dort standen keine schnauzbärtigen Männer mit Pickelhauben, stattdessen las ich: Unteroffiziersheim-Gesellschaft. „Was ist das?“, wollte ich nun von meinem Fahrgast wissen. „Ach wissen Sie, wir treffen uns hier regelmäßig zur Pflege der Kameradschaft.“
„Und wieso OHL?“, fragte ich weiter.
„Das ist nur ein Scherz, der Tradition wegen.“
Merkwürdige Traditionspflege bei den Veteranen. Ich weiß schon, wieso mir das Militärische schon immer suspekt war. Mit deren Art von Kameradschaften und Traditionen kann ich einfach nichts anfangen.

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