„Alle abknallen!“

Es versprach eine der üblichen langweiligen Taxifahrten zu werden. Das Ehepaar war schon einige Jährchen im Rentenalter, er im feinen Anzug mit Hut, sie im Abendkleid mit einem Mäntelchen drüber und aufgemotzter Frisur. Auf dem Weg von Mitte nach Wilmersdorf sprachen sie über ihren gelungenen Abend, erst Theater, dann das Restaurant, aus dem ich sie eben abgeholt hatte. Das Radio hatte ich so leise gestellt dass es sie nicht stören würde, trotzdem hatte die Frau offenbar recht feine Ohren: „Junger Mann, bitte machen Sie mal das Radio lauter!“ Sie hatte eine Nachrichtenmeldung gehört, die nun aber schon vorbei war. Ich sagte ihr, dass es darum ging, dass die rechtsextreme Pegida plant, eine Partei zu gründen.
Sie wollte wissen, ob es die denn auch in Berlin gäbe. Jeden Montag veranstaltet die „Bärgida“ eine Demonstration, sagte ich ihr, an der aber selten mehr als hundert Personen teilnehmen. Und auch, dass sie erst am Montag von hunderten Gegendemonstranten belagert wurden.

„Wissen Sie, wir haben die Zeit ja noch mitgekriegt, als die Nazis an der Macht waren. Zwar waren wir noch sehr jung, aber mein Mann musste noch als Luftwaffenhelfer mit ran. Mit 14 Jahren!“
Noch war mir nicht klar, wie sie zu den Rechtsextremisten standen, aber ich war gespannt, was noch kommt.

„Mein Vater ist nicht aus dem Krieg zurück gekommen, in Russland vermisst haben sie gesagt. Aber wir wussten natürlich, was das bedeutet.“
Jetzt schaltete er sich in das Gespräch ein: „Wenn Sie meine Meinung hören wollen, junger Mann. Alle abknallen sollte man diese Leute. Das sind doch alles Verbrecher! Sie haben nichts gelernt aus der Geschichte. Weg damit.“
„Aber Hans, es sind ja nicht alles Nazis, glaube ich. Oder was meinen Sie?“

Ich erzählte ihr, dass ich mir die Leute sehr genau angeschaut habe. Dass dort eindeutig Neonazis dabei waren, auch der Chef der NPD sowie ein mehrfach verurteilter Naziterrorist. Aber auch viele, die vielleicht keine Neonazis sind, aber mit Sicherheit trotzdem nur Müll im Kopf haben.
„Die Mitläufer sind kein bisschen besser!“, sagte der Mann nun sehr laut. „Ohne die hätten es die Nazis ja auch damals nicht geschafft, an die Macht zu kommen. Es ist ja die dumme Masse an Mitläufern, die die Nazis stark machen. Und überhaupt die Dummheit der Massen. Wenn die den ganzen Tag nur RTL glotzen ist doch klar, dass denen ihr Gehirn zusammenschrumpft und sie dieser ganzen Hetze glauben. Ob die von den Skinheads kommen oder von der AfD oder dem Sarrazin. Das ist alles der gleiche braune Mist, sage ich Ihnen.“

Die Frau versuchte, ihren Mann zu beruhigen. Ich stimmte ihm zu, jedenfalls im Großen und Ganzen. Mittlerweile waren wir auch am Ziel angelangt. Er war aber immer noch am Schimpfen. „Abknallen, sage ich Ihnen, das ist das einzig Richtige!“

Ich fand es beeindruckend, mit welcher Radikalität er seine Meinung kund tat. Es tut gut, wenn man nicht nur auf Gleichgültigkeit trifft.

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10 Kommentare

  1. Kann ich nachvollziehen. Sicher, „alle abknallen“ ist keine Forderung, die ich mir ans Bein binden wollen würde, aber die eindeutige Stellungnahme macht Mut.

  2. Moin, moin,
    klar über so wache und kritische Menschen freut man sich. Ist es aber nicht erschreckend, dass man sich freut? Das geschieht doch, weil man es viel zu selten erlebt.
    Schön finde ich, dass RTL-Gucken das Gehirn schrumpft. Werde ich sicher mal zitieren!
    Gruß Frank

  3. Bei Bergida stand ich auch zweimal. Gegenüber.
    Haben Schirme mit Fickfinger hochgehalten und Refugees Are Welcome Here gerufen. Dann haben sich einige richtig Engagierte noch lauter als alle andere engagiert. Und laut gerufen. Studenten in vollem Elan.
    Man musste jetzt was tun.
    100 Bergis. Standen neben echten Neonazis. Darauf angesprochen wollten se sich lieber nicht nochmal umdrehen und genau hinsehen. „Wat machst du, wenn uff deiner Schule plötzlich nur noch türkisch jeredet wird?“. „Wo sprischt ma heute no Deutsch?“. „Wir ham doch nix mit de Nazis zu tun!“.
    Gleichzeitig erzählten einige Alte am Zaun stehend vom Untergang. So wie im Spiegel oder in der Sueddeutschen ja auch gedruckt: Das 3. Reich, wo es geradenwegs wieder hinging, war kurz ums Eck. Alt sein macht weise, da ist was dran. Man empörte sich über das Elend der Menschheit.

    Bin nach Dresden gefahren und Leipzig. Grönemeyer hat geredet. Und alle haben gejubelt und sich gefreut, dass es endlich mal einer so sagt. Danach war der Eine von den Prinzen dran. Leider hats geregnet.
    Aber verstanden wurden die ganzen Bergidas, Legidas und Pergidas zumindest von den Politiker wie Gabriel oder Maizière.
    Und somit sind wir hier im Land voll auf Tour.

  4. Eigentlich traurig, dass es eher so wenige sind, die sich eindeutig positionieren. Und traurig, dass es so eine große Menge an Mitläufern gibt, die nun wirklich nicht aus der Geschichte gelernt haben. Sofern sie diese überhaupt kennen.

    Ganz besonders schlimm finde ich, dass es scheinbar keine vernünftige Möglichkeit gibt, so einen Mist einfach einzudämmen und zu beenden. Da geht einfach viel zu viel Kraft und Geld drauf (und auch Zeit), das vernünftig zu beenden.

  5. Mensch Arno, viel geliebt, viel gelesen, selbst hier in brasilien, aber selbst als deutscher schwuler nicht diesen fuckin´cracy´deadlie islamterror to accept?

  6. Kein Ahnung, was Du meinst. Ich habe hier vor allem mit fucking Naziterror zu tun.

    Und wenn Du mich nochmal „Arno“ nennst, werde ich auch zum Terroristen ;-)

  7. Das Problem ist doch mal, dass solche Strömungen niemals gebündelt angegriffen werden können, weil sich die verkackten Salonlinken mit spießigen Diskussionen rund um „schreib ich das jetzt mit Sternchen zum *innen oder mit Unterstrich zum _innen“ beschäftigt.
    Ernsthaft: Ich bewege mich oft in Uni, Antifa und politischen Diskussionen und muss ständig gebildeten Menschen zuhören, die den anderen erklären, wie man sich modern korrekt ausdrückt und sich verhält. Immer nach innen.
    Als ebenso Linker sag ich jetzt einfach mal: Dieses Land wäre auch deswegen verloren, weil sich die Linke aus Spießern bildet. Leute die nen verdammt engen Verhaltenskodex aufgebaut haben.
    Und eine verdammt schnelle Reizbarkeit und Empörung, die sich über die Leute ihrer eigenen Richtung erhebt.
    Ich scheiß ehrlich gesagt auf diese politische Korrektheit. Nicht weil ich denke, dass wäre eine Banalität, diese Spießer setzen sich auf Minderheiten, die es verdient hätten verteidigt zu werden, aber ich spüre so oft diese Heuchelei immer gegen die eigenen Leute zu agieren, um sich selbst als den größten Kämpfer zu positionieren. Narzissmus als einziger Weg.
    Und damit lässt sich nix gewinnen. Solche Leute korrumpieren jegliche Bestrebung langfristig eine größere Gegenbewegung zu bündeln. Die schließen die ersten, weniger Regelkonformen direkt wieder aus und starten eine Grundsatzdiskussion.
    Doch genau solche Normalos braucht es bei Gegenbewegungen zu Freital und co.
    Und dann verkommt das so: Die Normalos hören sich unter sich nen Prinzenidioten an, der nichts zu sagen hat und der Schwarze Block tritt auf wie bei ner Theatervorstellung.
    Kotzt mich beides an.

  8. Während ich die eindeutige Positionierung begrüße, so muss ich doch sagen, dass Sash’s Kommentar nicht weit genug gegriffen ist. Denn, wer „alle Abknallen!“ redet und meint, der ist letztlich genauso scheiße, wie die Nazi-Idioten. Nur halt aus der anderen Richtung.
    Haben wir uns nicht mal irgendwann darauf geeignet, als zivilisatorische Herausforderung Gewalt zu minimieren?

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