Nach dem Abriss der Stadtmauer im Jahre 1867 wurde die Ackerstraße im Süden um etwa hundert Meter verlängert, bis hin zum heutigen Koppenplatz. Dieser Platz hat eine 300-Jährige Geschichte, die ihre Spuren bis heute hinterlassen hat.
Im Jahr 1696 erwarb der „Raths Verwandte und Stadthauptmann“ Christian Koppe das Territorium des heutigen Platzes von den Schadowschen Erben. Der Platz lag damals innerhalb der Stadtmauer, zwischen dem Rosenthaler und dem Hamburger Tor. 1704 vermachte Koppe den Platz der Berliner Verwaltung mit der Maßgabe, dort an einer Stelle einen Friedhof für all jene einzurichten, die verarmt oder unbekannt gestorben waren. In einem abgelegenen Winkel dieses Friedhofs sollen all jene liegen, die Selbstmord begangen haben. Das letzte Begräbnis erfolgte wahrscheinlich 1838. Aber erst 1853 wurde der Platz dann für den öffentlichen Verkehr zugänglich gemacht.
1708 wurden die am Koppenplatz liegenden Grundstücke zum Häuserbau verkauft. An der Ecke zur Linienstraße entstand ein Armenbaus, das 1810 in ein Leichenschauhaus bzw. Obduktionshaus verwandelt wurde. Wegen des Turms auf dem Dach nannte man es „das Thürmchen“. Verunglückte oder Selbstmörder wurden auf einen hölzernen Karren geladen und dann zum Thürmchen gebracht, wo die Leichenschau vorgenommen wurde. Über seine Erinnerungen an das „Thürmchen“ schrieb Karl Gutzkow in seinem 1852 erschienenen Buch „Aus der Knabenzeit“:
„Zwischen dem Thürmchen und der Anatomie ging in stillen Abenddunkel regelmäßig ein polternder, dumpfhallender Karren hin und her. „Da bringen sie schon wieder einen!“ sagte der Vater, wenn unter dem Fenster um die neunte Stunde das Rollen des schauerlichen Karrens erklang.“
Von Gutzkow stammt auch eine Schilderung des Armenfriedhofs. Dort hat er beschrieben, wie er und ein Freund als Halbwüchsige bei einer Wärterin im Thürmchen Einlass begehrten, um Leichen sehen zu wollen, was ihnen natürlich verwehrt wurde. Als Ersatz durften die Jungen jedoch einen Blick auf den umfriedeten Armenfriedhof werfen.
„Die Knaben schossen wie der Blitz auf den großen grünen Anger, der sich sogleich hinter einer halbhohen Thür frei und breit darbot. Hier auf dem baum- und blütenlosen Kirchhof hing allerlei Wäsche, wurden Linnen gebleicht. Zur Rechten lagen aber die Gräber. Sie waren wohl hie und da mit dünnem verbrennten Rasen bedeckt, aber namenlos alle, ohne den Schatten eines Baumes, ohne den Schmuck einer Blume. Vergiftet, erhängt, ersäuft alle diese Opfer der Verzweiflung. Eine offene Grube erwartete einen Ankömmling.“
Der Stadtchronist Adolf Streckfuß dagegen hatte Zugang. Er schrieb:
„Drei rohe hölzerne Pritschen standen nebeneinander, meist waren sie, besonders im Sommer, mit halbverwesten Leichen bedeckt. Hier wurden die aufgefundenen Leichname bis zum Begräbnis ausgestellt, hier suchten die Verwandten solche Personen, welche plötzlich verschwunden waren und oft genug fanden sie diese.“
1853 wurde das Thürmchen durch die „Gaserleuchtungsanstalt“ entfernt, weil sie dort eine Gasometeranstalt bauen wollte. Diese wurde bereits 50 Jahre später wieder abgerissen.
Doch der Koppenplatz kam nicht zur Ruhe: 1940/41 bauten französische Kriegsgefangene unter ihm zwei Bunker, die für „strategisch wichtige“ Personen, die in der Umgebung wohnten oder arbeiteten, vorbehalten blieb. Zur Fertigstellung des Bunkers lobte der Bezirksbürgermeister von Mitte am 7. November 1941 in einem Brief an die NSDAP-Ortsgruppe: „…sind für die äußere Gestaltung der Bunker erheblich größere Aufwendungen gemacht worden als für alle anderen gleichartigen Bauten.“ Um 1950 wurden die Zugänge zu beiden Bunkern gesprengt, sie existierten jedoch noch bis 1995. Christian Koppe und einige aus seiner Familie sollen in einer Gruft am südwestlichen Ende des Platzes liegen, so lautet jedenfalls die Inschrift der heute noch dort vorhandenen Gedenktafel, die vor 140 Jahren von der Stadt Berlin aufgestellt worden ist.*

* Aus „Das falsche Scheunenviertel“, das von Ulrike Steglich und Peter Kratz geschrieben wurde. In dem interessanten Buch wird die Entwicklung der Gegend beschrieben, die heute fälschlicherweise als Scheunenviertel bezeichnet wird, obwohl es westlich vom ursprünglichen Gebiet liegt. Wer aber mehr über die Geschichte dieses immer mehr von Szene und Touristen belebten Stadtteils erfahren möchte, sollte sich dieses Buch zulegen.

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