Beten am Taxistand

Ich bin ja nicht gottesgläubig, jedenfalls nicht, was so die Mainstream-Religionen betrifft. Weder glaube ich daran, dass irgendwo über den Wolken ein weißbärtiger alter Mann sitzt, noch dass Gott Shiva seine sechs Millionen Untergötter befehligt oder ein gerechter Allah alle Ungläubigen verbrennen lassen will. Vielleicht gibt es einen Gott, schätze aber, dass dies einfach nur ein anderes Wort für die Natur ist.

Aber egal, jeder kann glauben, was er will, solange er anderen damit nicht das Leben behindert. So wie es in der angeblich laizistischen Bundesrepublik noch immer einen umfassenden Einfluss der Kirche auf den Staat und die Gesellschaft gibt. Kirchensteuer, jährliche staatliche Milliarden-Finanzierung der Kirche durch uns, kirchliche Feiertage oder kürzlich das Tanzverbot am Karfreitag. Was hat das bitte mit der Trennung von Kirche und Staat zu tun? Die Pfaffen haben in Deutschland noch immer viel zu viel Einfluss.
Aber darum soll es gar nicht gehen. Wenn jemand seinen Glauben hat, ist das seine private Entscheidung, die andere akzeptieren sollten. Muslime haben ihren wöchentlichen Feiertag am Freitag, samstags sind die Juden dran und am Sonntag die Christen. Wer will, der feiert sogar in der Kirche des fliegenden Spaghettimonsters.

Die Frage ist, inwieweit Gläubige verschiedener Richtungen ihre Rituale zelebrieren können, ohne dabei anderen in die Quere zu kommen. Wenn in Bayern Prozessionen durch die Dörfer ziehen und der Bauer deshalb nicht mehr mit dem Trecker zum Feld durchkommt, verflucht er die Gottesanbeter sicher auch. Gleichzeitig dürfen sie ihn nicht zwingen, mitzulaufen und mitzubeten.

Seit einigen Jahren wird hier in Deutschland vermehrt wieder Hass gegen Religionen geschürt. In den vergangenen Jahrhunderten waren es meist die Juden, gegen die der gemeine Christ zu Felde zog, was schließlich im Massenmord mündete. Heute sind es die Moslems, die als Feind, als die Gefahr hingestellt werden. Dahinter steckt der gleiche Rassismus wie früher, nur das Ziel des Hasses hat sich geändert.

In letzter Zeit beobachte ich öfters, wie muslimische Taxikollegen neben ihren Fahrzeugen kleine Teppiche ausrollen und sich zum Beten hinknien. Mir ist das egal, auch wenn ich damit nichts anfangen kann. Vor einigen Tagen kam dies auch an einem Taxistand am Savignyplatz vor. Kaum hat der Kollege mit seiner Beterei begonnen, fuhr das Taxi vor ihm weg, kurz darauf auch das andere, so dass er eigentlich an der Spitze stehen würde. Da er keine Anstalten machte, mit dem Beten aufzuhören und nach vorn zu ziehen, fuhr ich an ihm vorbei und stellte mich an den Anfang. Normalerweise überholt man natürlich keine Kollegen, wenn sie z.B. mal schnell auf die Toilette gehen oder die Scheiben waschen. Wenn jemand aber bewusst in Kauf nimmt, dass die folgenden Kollegen nicht mehr vorziehen können, braucht sich nicht aufzuregen, wenn er überholt wird. Genau das aber tat der Kollege, nachdem er ausgebetet hatte. Er kam zu mir und beschimpfte mich fürchterlich und sehr lautstark auf, dass ich ihn überholt habe. „Du hast doch gesehen, dass ich gebetet habe!“
„Ja, und es interessiert mich nicht. Wenn Du das während der Zeit am Taxistand machst und mich damit aufhältst, fahre ich eben an dir vorbei.“
Es geht nicht ums Prinzip, aber wenn am Anfang des Taxistands kein Wagen steht, kann es passieren, dass sich Fahrgäste dann ein fahrendes Taxi winken, anstatt nach hinten zu laufen. Aber das verstand oder akzeptierte er nicht. Er warf mir Rassismus vor, aber damit war die Diskussion für mich beendet.

Gestern Nacht eine ähnliche Situaton am Hauptbahnhof. Wieder betet jemand neben seinem Auto am Nachrückstand. Also fuhren einige Wagen von hinten an ihm vorbei und stellten sich vor ihn hin, zwei weitere konnten sogar zum regulären Taxistand vorrücken. Der muslimische Kollege hatte nichts dagegen, dass er überholt wurde, aber als er ausgebetet hatte, wollte er sich einreihen. Da gingen jedoch mehrere Kollegen dazwischen, die ihn teils übelst mit Beleidigungen überschütteten. Er solle doch „nach Kanackistan zurückgehen“ und ähnliches.
Dabei hatte er ihnen nichts getan, hatte lediglich mehrere Autos vorbeigelassen. Ob es klug ist, dass man sich in eine ständig nach vorn rückende Taxireihe stellt, wenn man beten will, kann bezweifelt werden. Den Kollegen aber deswegen zu beschimpfen und zu beleidigen, ist inakzeptabel.

Manche Kollegen meinen, sie als „Christen“ seien etwas besseres als die Moslems. Genauso sehen das ja auch die Faschos von Pegida oder der AfD. Als wenn es hier demnächst zum großen Showdown der Religionen kommen würde und die Unterlegenden dann mit dem Tode rechnen müssten. Dabei sind sich die Bibel und der Koran sehr ähnlich, vor allem wenn es um die Bekämpfung Andersgläubiger geht.
Wieso also der Hass? Tut Euch doch zusammen, dann könnt Ihr gemeinsam z.B. Frauen unterdrücken, Homosexuelle niedermetzeln, „Ehebrecher“ abschlachten oder Rothaarige verbrennen!

Übrigens: Rassistische Kommentare werden hier nicht veröffentlicht und die Kommentatoren künftig geblockt.

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2 Kommentare

  1. „Du hast doch gesehen, dass ich gebetet habe!“

    Danke für deinen Beitrag. Ja, in unserer Stadt wird es wirklich sehr interNATIONAL. Ich erlebe auf dem Rad und der Rikscha sehr direkt, wie viele Sprachen hier unterdessen alleine auf der Straße gesprochen werden. Noch viel deutlicher erlebe die Gebräuche und Maßstäbe der verschiedenen Menschen und Traditionen. Engländer und Asiaten wollen z. B. meistens links gehen. Italiener sind immer am besten gekleidet fahren aber niemals Rikscha. Chinesen treten IMMER in riesengroßen Gruppen auf (und fahren auch nie mit).

    Ich habe auch oft betende Taxifahrer gesehen und mir gar nichts dabei gedacht – außer, dass es schon merkwürdig rüberkommt, wenn der Fahrer hinter dem Auto verschwindet und das Taxi lange leer am Halteplatz dasteht.

    Dass der gesagte Kollege direkt nach dem Beten ausfallend wurde und Dich (gerade Dich!) als Rassisten bezeichnet hat ist ein echt echter Knaller. Ähnliches habe ich auch einmal mit einem Kollegen erlebt, der mich zuerst geschlagen hatte und dann auf den nötigen RESPEKT verwies. Idioten gibt es überall. Aber im Straßengewerbe entlarven sie sich besonders schnell und sehr oft.

    Das Lustigste erlebte ich gerade neulich, wo mir der Fahrer eines Diplomatenwagens krass die Vorfahrt nahm. Darauf angesprochen fragte er mich durchaus ernst, ob diese Vorfahrt auch für Fahrräder gelten würde… und fuhr erstaunt weiter.

    Gut das eine Frau auf dem Fahrrad neben mir stand und wir gemeinsam darüber lachen konnten.

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