Kurze Fahrt

Es kommt selten vor, dass ich einen Fahrgast wieder vor die Autotür setze. Laut Taxi-Ordnung darf ich das eh nur, wenn eine Gefährdung für mich oder den Fahrgast besteht. Das ist natürlich Auslegungssache. Falls zum Beispiel jemand mit offener Tuberkulose einsteigt, darf ich ihn abweisen, weil er mich damit gefährdet. Wenn es jemand ist, der faschistische oder antisemitische Sprüche macht, darf ich ihn ebenfalls rauswerfen, denn sonst wäre seine Gesundheit gefährdet.

Nicht in diese Kategorien gehörte das schon reichlich angetrunkene Paar, 30 bis 40 Jahre alt, Typ Cindy aus Marzahn, nur assiger. Sie hatten mich in Schmargendorf herangewinkt. Ich stand noch mitten auf der Kreuzung, als sie ins Taxi stiegen. Noch bevor ich sie begrüßen konnte, befahl der Mann von hinten „Losfahren!“

In diesem Moment war schon klar, dass es nicht so einfach werden würde. Um die Situation zu retten sagte ich „Ihnen auch einen schönen Abend. Wo möchten Sie denn hin?“

„Quatsch nicht, fahr einfach geradeaus, man!“ raunzte er aggressiv von hinten.
„Vielleicht geht es ja auch etwas freundlicher. Ich habe Ihnen nichts getan. Und bevor ich losfahre, muss ich erstmal wissen, wohin.“
Nun mischte sich die Frau ein und schrie mich von hinten an: „Du scheiß Penner, fahr endlich los, schwule Sau. Sonst gibt’s was auf die Fresse!“

Damit war das Maß überschritten. In ruhigem Ton sagte ich ihnen, dass sie aussteigen sollen. Gleichzeitig rief ich die Funkzentrale an (leider haben wir im Auto keinen Sprachfunk). Als sie sofort antwortete, gab ich den Standort durch und bat darum, Kollegen vorbeizuschicken.
Der Mann war plötzlich ganz zahm, warf mir einen Zehner („stimmt so“) auf den Beifahrersitz und sagte, sie wollten nur zum Elsterplatz. „Kurzstrecke“.

„Es geht doch auch freundlich“, meinte ich und fuhr los. Die Zentrale blieb weiter am Telefon und hörte mit. Etwa 200 Meter weiter zerrte die Frau plötzlich von hinten an meinem T-Shirt, sagte, ich sollte einen bestimmten Radiosender einstellen. Als ich antwortete, dass ich den nicht kenne und wir sowieso nur eine Minute fahren würden, zog sie noch weiter und schrie wieder rum. Dann griff sie von hinten an mein Ohr und zog daran. Daraufhin machte ich eine Vollbremsung, beide flogen nach vorne, weil sie nicht angeschnallt waren. Selber schuld.

„Raus!“ schrie ich nach hinten. Ich stieg aus, öffnete die Hintertür, die man wegen der Kindersicherung nicht von innen aufmachen kann und schrie nochmal: „Raus!“
Ich war dermaßen aufgeladen, dass ich sofort zugeschlagen hätte, wenn mich jemand von den beiden angegriffen hätte. Stattdessen aber stiegen sie wütend aus, brüllten noch rum, kamen mir aber nicht zu nahe. Ich warf die Tür zu und fuhr weg. Die Zentrale fragte, ob jetzt alles ok sei. „Ja, sie sind weg“, sagte ich.

Abgesehen davon, dass mich sowas natürlich total nervt, gab es einen Umstand, der es weniger schlimm machte. Direkt an dem Ort, wo ich die beiden rausgeschmissen habe, hatte ich am Abend vorher einen sehr lieben und hübschen jungen Mann kennengelernt, der mit mir eine halbe Stunde durch die Stadt fuhr. Zum Schluss gab er mir noch seine Telefonnummer.
Es ist also nicht alles schlecht in Schmargendorf  :-)

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2 Kommentare

  1. Ups, sorry für die späte Antwort. Ich habe ja mit meinem Tagfahrerkollegen Anfang 2015 den Taxibetrieb gewechselt. Dort in der Firma haben alle Autos keinen Sprachfunk mehr. Das ist in solchen Situationen sehr nervig, aber auch sonst ärgerlich. So werden Veranstaltungs- und Verkehrshinweise auch nur auf dem Sprachfunk durchgesagt, obwohl es die Möglichkeit gäbe, sie allen Fahrzeugen aufs Display zu schicken.
    Aber offenbar ist „weg vom Funk“ eine Tendenz, die auch andere Firmen erfasst.

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